Nach fast 138 Jahren, als der erste Lastzug von Orawitza nach Anina
fuhr und so eine Meisterleistung der Ingenieurtechnik des 19-ten Jahrhunderts
einweihte, gelang es wieder einer neueren moderneren Generation, diese
Fahrt einfach nur zu geniessen und sie in Aktualität zu bringen, sie
einfach wieder zu erleben.
Der sonnige Herbstsamstag am sechsten Oktober machte möglich und
erreichbar eine Fahrt, die parallel mit der Gegenwart doch an eine Reise
zurück in die Geschichte des Banater Berglandes errinnern soll. Man
erreichte pünktlich den Orawitzaer Bahnhof, der die Stille einer typischen
Bergstadt vorzog, kaufte sich eine Fahrkarte und suchte vorsichtig über
den Gleissen und zwischen den anderen Zügen die geeigneten Waggons
und die Lokomotive für diese Strecke, die Richtung Anina fahren. Als
man sich seinen Platz einholte und aufmerksam auf den kurzen Abfahrtspfiff
wartete, betrachtete man einigermaßen die Gegend aus den engen Fenstern,
die nicht weiter als eine Spannlänge aufgehen.
Um genau 1450, nach einem kurzen Pfiff, brachte man die zwei
Waggons die den Zug bildeten ins Rollen. Die einmalige "STEYERDORF"-Lok
wurde eingetauscht mit einer Diesellock der heutigen Tage auf Normalspur,
die aber noch die alten Fahrtechnicken im Einlenken und Geschwindigkeit
braucht, dank der engen Kurven der Strecke. Der Zug verliess also den Bahnhof,
so wie zu Grossvaters Zeiten, aufwärts Richtung „Steirawald". Keine
andere Strecke des Landes ist so reich an Kunstbauten. Die 34 km lange
Route mit einem Höhenunterschied von 340 m schlängelt sich durch
14 Tunnels, ebenfalls die ältesten des Landes, in Gesamtlänge
von 2.084 m, so ungefehr 21 Km, und 10 erbaute Talüberbrückungen
in Gesamtlänge von 843 m. Das Schienenband führt ebenso über
10 km erbaute Stützmauern und durch 21,2 km stellenweise tiefe Durchbrüche
und Bergeinschnitte und nur knapp 10 km fährt der Zug über normale
mehr oder weniger hohe Dämme.
Ein Scherz machte die Runde: mitleidige Lockführer sollten mal auf dieser Strecke neben einem schwerbeladenen Mütterchen stehengeblieben sein und sie zum Mittfahren eingeladen haben. Ihre Antwort: "Nein, danke, zum Trandeln hab' ich keine Zeit! Ich hab's heute eilig".
Als der Zug gemählich die Ebene hinterliess und einige kleinere Talüber-brückungen leicht schaffte, greift er schon einen der wichtigsten Viadukte der Route, an nähmlich den sogenannten „Rakovitzã"-Viadukt in Länge von 115 m Länge und 27 m Höhe. Gegen Ost-Nord-Ost breitet sich die Landschaft des Karaschtals aus, die weiter hinauf entlang des Tales bis am Rand der Berge, das Dorf Brãdisorul de Jos umzingelte. Der Zug rastet genaue zwei Minuten in der Gegend des Maidansteinbruches, der in Entfernung von 6 km von Orawitza liegt und bereitete sich also für den nächsten Aufstieg vor.
Von
den Fenstern aus, in den die Sonne ihre warmen Strahlen spiegelte, lässt
sich im Tal durch die rostfarbige Vegetation die silbernen glitzernden
Wellen des Lischawa-Baches sehen. Eine dreiviertel Stunde, genaue 8 km,
hinterliess der marschierende Zug zwischen den Maidansteinbruch und der
ersten grossen 12 km enfernten Haltestelle von Lischawa. Zwei-drei Menschen
begrüssen sich und tauschen gegenseitig ihre Plätze durch den
Aufstieg oder Abstieg. Der Zug fährt wieder los, der Hang wird immer
steiler, es gibt Plätze, wo die Stützmauern auch im Höhe
von 60 m auf einer Länge von 500 m sind. Zwischen den alten Weissfichten,
einmalig in Rumänien, deshalb unter Naturschutz gestellt, zeigte sich
nach einigen Minuten die stattlichste Steinbogen-Talbrücke der Strecke.
Der Jitin-Viadukt in Höhe von 32 m und 131 m Länge, erbaut von
massigen Steinblöcken, zieht sich in Verlängerung einer schmalen
Serpentine von 114 m Länge und erlang also des Jitiner Tals. Gegen
Nord-Ost heben sich drei Gebirgsspitzen, die so genannten "Drei Schwestern".
Die von Orawitza 17 km entfernte „Ciudanoviza"-Haltestelle lässt sich im Tal erblicken. Der einsame Bahnsteig setzte uns mit den Gedanken zurück in die Zeit, so rund um das Jahr 1869, als die Strecke den Personenverkehr freigegeben wurde. Nach fast 9 km Aufstieg im langsamen Tempo erreichen wir um 1625 die 26 km entfernte „Gârliºte"-Haltestelle, zwischen den Hügeln der karstischen Karaschowaer Hochebene, die sich nach Norden hinzieht. Die Berge erscheinen wie grosse, gleichhohe Wellen und verlieren sich höhen-mässig gegen die Horizontlinie.
Kaum
verlässt man die Haltestelle, gelangt man schon in den mit 672,62
m längsten Tunnel der Strecke und damit fängt der Abstieg an
Richtung Anina, durch weitere vier kleinere Tunnels. 1650 trifft
der Zug, nach einem langen akustischen Sig-nal im Bahnhof der ältesten
Bergleutestadt des Banater Berglandes, Anina, ein.
Die Fahrzeit, die im 19-ten Jahrhundert rund vier Stunden betrug, konnte zur Zeit auf knappe zwei Stunden herabgedrückt werden. Die Banater Bergbahn, genannt auch als "Banater Semmeringbahn", als die zweitgrösste Europäische Bergbahn bekannt geworden, die noch heut zu Tage im Betrieb ist und als Rumäniens älteste Bergstrecke gewertet ist, ging in die Geschichte ein und kann ebenso in den Eisenbahnlehrbüchern des Franzosen Ch. Couché gefunden werden.
Die Reise wurde in Erinnerung an den deutschen Bauingenieure und der frommen Italiener, die im Laufe von einigen Jahren eine Meisterleistung hinterliessen, organisiert.
Zwischen den rostbraunen Blätter des Herbstes und den aufkommenden
Wolken der Nacht zieht sich die Sonne in Form eines Feuerballs gegen den
Horizont zurück um das Geschichtebuch des Tages in Demut und Stille
zu schliessen.
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