Auch im Banater Bergland hochvererht

Antonius von Padua - wer war er wirklich?

von Tibor Lichtfuss
früher Orawitza / heute Innsbruck
Die Welt kennt ihn als "Heiligen Antonius von Padua", in Padua selbst aber nennt man ihn nur "Il Santo". Alle Wegweiser, die zu seiner riesigen Basilika führen, sind nur auf die "Basilica del Santo" ausgerichtet, als gäbe es außer ihm keine anderen Heiligen.

Wer war eigentlich dieser Antonius, den so viele Menschen, auch solche anderer Konfessionen so hoch verehren, besonders weil er als Wiederbringer verlorener Sachen gilt? Zahlreiche Legenden, deren manche freilich reichlich übertrieben sind, falsche Interpretationen von Texten und dergleichen haben aus ihm so etwas wie einen Himmlischen Ombudsmann und Schutzpatron der Schlamperer gemacht. Wer war aber dieser Mann wirklich? Er wurde um das Jahr 1195 in Lissabon geboren, sein Vater war Ritter Martin von Bouillon (die Italiener haben diesen Namen bereits zu Bullone verwandelt), seine Mutter hieß Donna Maria Tereza. Nach seiner Geburt wurde er auf den Namen Fernando Martini getauft. Er kam in die Domschule von Lissabon, wo er die sieben freien Künste studierte. Zwei Jahre später tritt er in den Orden der Regular - Chorherren der Au-gustiner von San Vicenzo de Flora ein, von wo er bald in das Kloster Santa Cruz (Hl. Kreuz) di Coimbra gelangt. Coimbra war damals der Sitz der portugesischen Könige und hatte schon damals eine berühmte Universität. Hier studierte Fernando die Theologie und wurde auch zum Priester geweiht. Zehn Jahre sollte er in Santa Cruz verbringen. Da geschah es, daß im Jahre 1220 die Leichen franziskanischer Märtyrer heimgebracht wurden, die in Marokko ermordet wurden. Zutiefst von deren Mut und Eifer beeindruckt, beschließt Fernando in den Orden der Franziskaner zu wechseln, um ebenfalls in die Mission nach Marokko gehen zu können. Diese Änderung war nicht nur eine mutige Tat, sie war auch in "Abstieg" für den jungen Priester, denn so wurde er vom vornehmen Chorherren ein einfacher Bettelmönch. Im Franziskanerorden nimmt er den Namen Antonius an, denn er war ein großer Verehrer des "Großen" Heiligen Antonius des Einsiedlers. Er zieht nach Marokko, wo er den gestrengen Herrscher Abu Jakub erreichen möchte. Es sollte aber anders kommen: Antonius wird krank und muß umkehren. Auf der Heimreise kommt sein Schiff in einen Sturm, der es nach Sizilien treibt, wo Antonius schließlich landen muß. Dort erfährt er, daß zu jener Zeit in Assisi der Hl. Franziskus zusammen mit 3.000 Brüdern beisammen ist.

Donatello (Donato di Betto Bardi) (1386 - 1466), Florenz:
"Hl. Antonius" aus der "Basilica del Santo" in Padua

Ohne noch italienisch zu können, will er sofort hin. Er wird dort an den Provinzial der Romagna, Bruder Gratian verwiesen, mit dem er in diese Provinz Italiens zieht. Im Kloster lebt er zurückgezogen und bescheiden. Eines Tages aber zogen die Klosterbrüder nach Forli, wo eine Primizfeier stattgefunden hat. Jemand sollte eine Festrede halten. Weder seine Brüder noch die ebenfalls geladenen Dominikaner wollten es tun. Zuletzt bat man Antonius, die Rede zu halten. Seine Ansprache machte er aus dem Stegreif, sie war aber auf ein fundiertes Wissen und von Eifer durchglüht gehalten. Staunen und Bewunderung erfaßten die Zubehör, Antonius war "entdeckt". Seine weitere Tätigkeit führt ihn dann ins Studienhaus der Franziskaner nach
Bologna, dessen Leiter er wird. Aber er bleibt nicht nur dort. Im Jahre 1224 zieht er in die Provence und gelangt nunmehr in seine dritte Universitätsstadt, nach Montpellier. Er bemüht sich dort um die Schlichtung von Streitfragen, die von den Waldensern, Albigensern und Katharev aufgewor-fen wurden. Im Jahre 1227 gelangt er dann als Provinzoberer seines Ordens wieder in die Romagna, 1229 dann in die Universitätsstadt Padua (Padova). Wie überall, wurde er auch hier als gewaltiger Lehrer und Prediger bald berühmt, geachtet und geehrt. Mutig widersetzt er sich allen Gesetzwidrigkeiten. So tritt er etwa auch dem Gewaltmenschen und Tyrannen Ezzelino da Romano entgegen, dem er seine tyrannische Art ohne Furcht vorwirft. Seine Natur war aber trotz allem eher schwach, wenngleich sein Körper so manches ausgehalten hatte. Er wirkte weiter in Padua, bis er im Jahre 1231 am 13. Juni im Klarissinnenkloster von Arcella bei Padua während des Mittagessens die Kräfte verlor. Nach dem Empfang der Sterbesakramente spricht er seine letzten Worte: "Ich sehe meinen Herrn!" Als er starb, war er kaum 36 Jahre alt. Die Leute von Padua riefen nur: "E morto il Santo!" Die Übertragung seines Leichnams erfolgte am Dienstag danach von Arcella in die Kirche Santa Maria von Padua. Erst 30 Jahre später sollte die sehr große Basilika mit ihren sieben Türmen fertig werden, in der sein Leichnam seither unter einem festlichen Altar ruht. Bereits ein Jahr nach seinem Tode wurde Antonius von Papst Gregor IX. heiliggesprochen. Papst Leo XIII. hat später den Dienstag zum "Antoniustag" bestimmt. Schließlich hat Pius XII. im Jahre 1946 Antonius zum "Kirchenlehrer" und zum "Lehrer des Evangeliums" erhoben. In der überaus mächtigen Basilika in Padua, in der sein Leichnam in dem Altar des linken Querschiffes liegt, ist immerfort viel Bewegung: die vielen Gläubigen, die hierher pilgern, umgehen den Altar und berühren, wenn sie hinten beim der Verschlußplatte vorbeikommen, diesen mit ihren Händen oder mit der Stirne. Kleine Kinder werden zur Berührung emporgehoben. Bis zum heutigen Tag ist Antonius das geblieben, was man einen charismatischen Heiligen nennen könnte. Schon zu Lebzeiten geliebt und verehrt, wird er es auch noch bis heute, und zwar durchaus nicht nur von Katholiken. Was seine wirkliche Größe ausmachte, beschreibt der französische Schriftsteller André Suares (1868-1948) folgendermassen: "Die glorreiche Tat des Franziskaners Antonius war es, dem Tierischen die Stirn zu bieten. Er stammte aus Lissabon, aber aus einer Zeit, da ein katholischer Mönch in allen romanischen Ländern Heimatrecht besaß. Damals war er keineswegs jener Allerweltsheilige, den man heute damit betraut, Verlorenes wiederzufinden und in den Familien Ordnung zu schaffen. Weit gefehlt! Dieser unzähmbare Asket mit dem schrecklichen Willen war der große Christ, wie ihn das Mittelalter gekannt und erlebt hat; ein Prophet der gerechten Sache gegen die Gewalt, der Mann des Aufstandes gegen jeden Mißbrauch einer Macht. Liebevoll zum Sanften, aber unerbittliche gegen den Gewalttätigen, starb dieser Kämpfer im Geiste, der in seiner Kühnheit vor nichts und niemandem zurückschreckte, mitten im Gefecht, im Feuer seiner Werke und seiner Bußübungen im Alter von sechsunddreißig Jahren. Er hat die bösen Reichen ebenso verfolgt, wie er dem bösen Fürsten trotzte. Der Heilige des Mittelalters ist der Held des menschlichen Gewissens. Nur zwei Jahre lebte der Heilige Antonius in Padua; aber seine Ausstrahlung war so stark, daß er bereits kaum ein Jahr nach seinem Tode heiliggesprochen wurde".

Am 6. Jänner 1981 wurde aus Restaurierungsgründen um 19 Uhr sein Grab geöffnet. Man fand die fast vollständigen Gebeine in einem einfachen Holzkasten. Fachleute stellten fest, daß es sich um einen Mann von kraftvoller Gestalt handelte, dessen Körperhöhe etwa 1,68 m war. Um beliebte Verstorbene bilden sich bald Legenden, so auch bei Antonius. Manche davon erscheinen sicherlich übertrieben. Erwähnen wir hier nur jene, die berichtet, daß ein gewisser Graf Tiso eines Tages Antonius unbemerkt in seiner Zelle beobachten konnte, wie dieser mit dem Jesulein beisammen war. Dies führte zu den zahllosen Darstellungen mit dem Jesukind. Eine etwas lebensnähere Ge-schichte erklärt die schöne Sitte des "Antoniusbrotes" für die Armen: Mademoiselle Louise Mouffier hatte in Toulouse einen kleinen Bäckerladen, den sie am 12. März 1890 nicht öffnen konnte. Sie versprach dem Heiligen Antonius, in Zukunft immer auch Brot für Arme herzugeben, worauf sie beim ersten Versuch den Laden wieder öffnen könnte. So hat die Vaterunser - Bitte um das "tägliche Brot" in diesem Falle für die Armen durch den Heiligen Antonius einen neuen Sinn bekommen. Wieso wurde Antonius aber zu jenem Patron der Vergeßlichen und Schlam-pigen, wie ihne eine ganze Welt kennt? Dafür gibt es mehrere Erklärungen. In franziskanischen Kreisen ist man von folgender Erklärung überzeugt: in einem lateinischen Hymnus zu Ehren des Antonius:

"Such verlorene "membra viresque" das hieße "Glieder und Kräfte". Dieser Vers wurde mit der Zeit im Gesang etwas verfälscht.
Statt "membra viresque" sang man aus rhythmischen Gründem "membra resque", also "Glieder und Sachen". Dieser geradezu schon abergläubisch erscheinenden Verehrung verdankt Antonius die zahllosen fabriksmäßig hergestellten Gips- und Porzellanstatuetten und den ganzen Kitschrummel, der um seine große Basilika herum betrieben wird. Hier wird eine Statue gezeigt, die von dem großen italienischen Renaissancekünstler Donatello (1386 - 1466) für die Basilika in Padua geschaffen wurde. Sieht man den manchmal geradezu unwürdigen Rummel, den Menschen um diesen großen Heiligen herum machen, so kommt einem unwillkürlich der Gedanke, daß es vielleicht besser wäre, wenn er so manchem, der ihn um Hilfe wegen verlorener Sachen anruft, zurufen würde: "Heute helfe ich dir noch, aber bitte, werde ein wenig ordentlicher!" Antonius wird auch als Patron der Kinder, als Ordner von Ehen, bei Entbindungen und bei Unfruchtbarkeit, aber auch als Viehpatron verehrt und angerufen. Seine Beliebtheit in unserer engeren südbanater Heimat verdankt Antonius nicht zuletzt sicher auch jenen Einwanderern, die aus Italien kommen, ihren "Santo" ebenso mitbrachten, wie die Böhmen ihren Johannes von Nepomuk. Am Ende sei noch das folgende Gedicht zitiert, welches ich in einer medizinischen Zeitschrift fand. Sein Verfasser ist Arzt (Dr. med.). Eugen Mayer ist sein Name.
 

An den Heiligen Antonius

Heiliger Antonius von Padua,
Ich such keinen Regenschirm, keine Brieftasche,
mich führt ein anderes Anliegen zu dir.
Ich bitte dich in Demut:
Wenn ich mich selbst ganz verlierein diser Zeit, die so auswegslos ist,
zünd´ Du eine Kerze an,
damit ein Steg erhellt bleibt,
auf dem ich wieder zu mir finde!
Und nimm mich am End als Finderlohn.