Der Abendstern

(Luceafãrul)
von Mihai Eminescu
Es war einst, wie´s zur Märchenzeit,
Wie´s niemals sonst gewesen,
Vom Kaiserstamme eine Maid,
Ein wunderschönes Wesen.

Der Eltern Einzigste sie war,
Sie glich in ihrem Glanze
Der Jungfrau in der heil´gen Schar,
Dem Mond im Sternenkranze.

Aus hoher Erker Schatten sacht,
Mit leichtem Schritt sie eilet
Ans Fenster, wo in milder Nacht
Der Abendstern verweilet;

Blickt in die Ferne, wie am Meer
Sein Strahlenschimmer gleitet,
Wie auf bewegten Bahnen er
Die schwarzen Schiffe leitet.

Sie sieht ihn heut´, sieht morgen ihn,
-So wird die Sehnsucht mächtig!
-Und er, der ihr seit Wochen schien,
Fand lieblich sie und prächtig,

Wie sie, auf ihren Arm gelehnt,
Von ihm in süßen Träumen
Erfüllt nur ist, nach ihm sich sehnt
In ihres Herzens Räumen.

Und heller winkt er, ohne Ruh,
Im abendlichen Schweigen
Des Schlosses schwarzem Schatten zu,
Wenn sie sich ihm soll zeigen.

Und Schritt auf Schritt, bis ins Gemach,
Auf ihren Spuren schwebend
Dringt er mit seinen Strahlen nach,
Ein Netz von Flammen webend.

Und legt sich, von des Schlafes Lust
Erfaßt, die Holde nieder,
Küßt er die Hand auf ihrer Brust,
Schließt ihr die süßen Lider;

Vom Spiegel sich sein Schimmer legt
Um sie mit sanftem Lichte,
Um ihr geschloss´nes Auge regt
Er leis´ sich im Gesichte.

Sie lacht ihn an, und zitternd schier
Sieht er´s im Spiegel drinnen;
Im tiefen Traum auch folgt er ihr
Sich haftend an ihr Sinnen.

Sie spricht zu ihm im Traume mild
Und seufzet schwer beklommen:
"O, meiner Nächte süßes Bild,
Was zögerst du zu kommen?

O, Abendstern, laß erdenwärts
Auf deinem Strahl dich schweben!
Dring in das Haus und in mein Herz,
Erleuchte mir das Leben!

"Er hört es mit Erzittern an,
Noch glüh´nder wird sein Blinken,
Und blitzend wirft er sich sodann
Ins Meer, um zu versinken.

Das Wasser, d´rinnen er versinkt,
Dreht sich im Kreise mächtig,
Und aus der Tiefe Schoß entspringt
Ein Jüngling stolz und prächtig.

Sein Schritt, wie auf der Schwelle Rand.
Am Fenster leicht erdröhnet;
Er hält in seiner rechten Hand´nen Stab mit Schilf gekrönet;
Es scheint ein junger Fürst zu sein,

Mit Haaren goldig fließend;
Ein Kleid, ein blaues, hüllt ihn ein,
Am nackten Arm sich schließend.

Doch sieht sein Antlitz bleich sie an,
Gleich weißem Wachs im Dunkeln!
- Ein schöner Toter, angetan
Mit Augen, welche funkeln.

-"Wie konnte mich dein Ruf so schwer
Aus meinen Sphären trennen!
Denn Mutter, sieh, muß ich das Meer,
Den Himmel Vater nennen!

Auf daß in deiner Kammer ich
Dir nahe sei, du Hehre,
Ließ ich von meinen Höhen mich,
Entwand ich mich dem Meere!

O, komm, mein Kleinod lieb und traut,
Verlaß die Welt, die deine!
Ich bin der Abendstern: als Braut
Sei fortan nun die meine!

Ein Perlenschloß soll uns umfahn,
Drin herrsch ich tausendjährig!
Die ganze Welt im Ozean
Sei dienend dir willfährig!"

"O, schön bis du, ein Engel schier,
Wie ihn der Traum läßt schauen!
Doch auf den Weg, zu folgen dir,
Will ich mich nicht getrauen.

Denn fremd ist Kleid und Sprache dein,
Du leuchtest ohne Leben!
-Ich lebe, du bist tot, dein Schein
Ist kalt und macht mich beben!

"Ein Tag vergeht, drei Tage gehn
Vorbei, die Nacht kommt wieder;
Der Abendstern, um sie zu sehn,
Strahlt hell zu ihr hernieder.

Und abermals im Traume sieht
Sein Bild vor ihr sie prangen,
Und nach dem Sohn der Welten zieht
Ins Herz ihr Sehnsuchtsbangen:

"O, Abendstern, laß erdenwärts
Auf deinem Strahl dich schweben!
Dring in das Haus und in mein Herz,
Erleuchte mir das Leben!

"Und wie er´s hört, daß sie ihn nennt,
Verlischt er schmerzdurchdrungen;
Doch heftig bebt das Firmament,
Dem er sich hat entrungen.

Ein Flammenmeer drauf weitverzweigt
Im Weltall sich entfaltet,
Und aus des Chaos Tiefen steigt
Ein Jüngling, schön gestaltet.

Der hat auf schwarzem Lockenhaar´ne Feuerkrone sprühen,
Umflutet ist er ganz und gar
Vom gold´nen Sonnenglühen.
Von seinem Kleide schwarz und dicht

Sind frei die Marmorarme;E
r naht mit traurigem Gesicht,
Das bleich wohl ist vom Harme.
Doch aus den großen Augen quillt

Ein mächtiges Gefunkel,
Und Leidenschaften ungestillt
Verrät ihr tiefes Dunkel.
-"Und wieder schwer nur konnte mich

Dein Ruf vom Himmel trennen!
Den Sonnenball muß Vater ich,
Die Nacht doch Mutter nennen!
O, komm, mein Kleinod lieb und trautVerlaß die Welt, die deine!
Ich bin der Abendstern: als Braut

Sei fortan nun die meine!
O komm, laß mich dein blondes Haar
Mit Sternen reich bekränzen,
Kein Stern wie du, so wunderbar,

Soll mir am Himmel glänzen!
""O, schön bist du! Ein Dämon schier,
Wie ihn der Traum läßt schauen!
Doch auf den Weg, zu folgen dir,

Will ich mich nicht getrauen.
Denn deine Liebe wird mein Herz
Mit herbem Weh durchfluten!
Es birgt dein großes Auge Schmerz

Für mich, in seinen Gluten!
""Was riefst du von den Höhen mich?
O wiß´, die mich erkoren:Unsterblich bin ich ewiglich,
- Doch du bist staubgeboren!

""Ich wähle meine Worte nicht,
Kann meine Red´ nicht drehen!
Obschon dein Mund verständlich spricht,
Kann ich dich nicht verstehen!

Doch willst du, daß dir Treue hält
Mein Herz, das dich erlesen:
Dann steig herab auf diese Welt
Und werd´ ein sterblich Wesen!"

"Du willst, daß selbst Unsterblichkeit
Um einen Kuß ich tausche?
So wisse denn: ich bin bereit
Dazu im Liebesrausche!

Zum Sünd´gen will ich wandeln mich, Will andre Formen finden!
-Der Ewigkeit vermählt bin ich,
Ich will mich ihr entwinden!
" -Und er zog fort, zog immer fort!

Aus Liebe zu der Hehren
Entriß er sich dem Himmelsort,
Wollt´ dorthin nicht mehr kehren.
-..........................................................................

Inzwischen aber Cãtãlin
Ein Page, hold der Lüge,
Den Gästen trägt zum Tisch er hin
Die weingefüllten Krüge,

Auf Schritt und Tritt der Kaiserin
Muß er die Schleppe tragen,
Ein Glückskind mit verweg´nem Sinn
Und Augen ohne Zagen.

Mit Wangen, die wie Rosen blühn,
Der hat - daß er es büße!
-Der Jungfrau sich genähert kühn,
Betrachtend sie voll Süße.

"Wie schön sie doch geworden ist
Und stolz!
- Fast könnt´ ich fluchen!
-Jetzt, Cãtãlin, ist´s an der Frist,

Willst du dein Glück versuchen!
"Und sanft umschließt er sie im Nu,
-So im Vorübergehen;
-"He, Cãtãlin!

Was willst denn du?
Geh dein Geschäft versehen!
""Hm! Was ich will? Daß du dich nicht
In Träumen stets versenkest,

Und mir mit lachendem Gesicht´nen Kuß, nur einen schenkest!
""Ich kenn´ das nicht, was du von mir
Verlangst, drum bleib mir ferne!
Mich tötet, ach! die Sehnsucht schier,

Nach meinem Abendsterne!"
"Nun, kennst du´s nicht, was ich da mein´,
Will ich dir´s gerne zeigen!
Doch darfst du mir nicht böse sein

Mußt traulich dabei schweigen:
Wenn, wie der Jäger in der Heck,
Stellt er den Vögeln Schlingen,
Ich meinen Arm, den linken, streck´,

Soll mich dein Arm umschlingen;
Und unbeweglich blick mich an,
Wenn ich ins Aug´ dir sehe!
Zieht dich empor mein Arm, sodann

Erheb dich auf der Zehe,
Und neigt sich mein Gesicht zu dir:
Soll deines sich erheben!
So blicken unersättlich wir
Uns an; welch´ süßes Leben!
 

Sonett

(Sonet)
von Mihai Eminescu
Erloschen ist Venedigs stolzes Leben,
Sowohl Gesang, wie Ballbeleuchtung fehlen;
Auf Marmortreppen, durch die Pforten stehlen
Sich Lunas Strahlen zu den Spinneweben.
Okeanus klagt und weint auf den Kanälen;
Er, der da muß in ew´ger Jugend schweben,
Will Lebenshauch der Braut, der süßen, geben
Und den Ruinen tosend sich vermählen.
Ein Friedhofsschweigen herrscht in weiter Runde;S
an Marc, ein Priester alter Zeiten Schimmer,
Gibt traurig kund die mitternächtige Stunde,
Sybillisch tönt der Glocke tief Gewimmer:
Verhallend langsam auf dem Wellengrunde:
"Vergebens, Kind! Die Toten kehren nimmer!"
Deutsch von Ludwig Vinzenz Fischer

Glosse

(Glossã)
von Mihai Eminescu

Zeiten gehen, Zeiten kommen,
Neu ist vieles, als das meiste!
Was ist schlecht und was kann frommen?
Das erwäg mit deinem Geiste.
Nicht an Furcht noch Hoffen hänge,
Droht auch Böses, es muß schwinden!
Ob man ruft dich, dich auch dränge:
Laß bei allem kalt dich fiden!
Vieles sehen wir gestalten,
Viele Töne hör´n wir rauschen;
Wer kann alles wohl behalten?
Wessen Ohr kann allem lauschen?
Bleibe du darum beiseite,
Stets gefaßt und ungeklommen,
Wenn mit unnütz lautem Streite
Zeiten gehen, Zeiten kommen.
Nicht einmal ihr Zünglein neigen
Soll des Denkens kalte Waage
Gen den Augenblick, der zeigen
Will das Glück, das ewig vage!
Totgeboren oft, vergeht es
Im Moment, wo´s dich umkreiste;
Wer´s genau kennt, der versteht es:
Neu ist vieles, alt das meiste.
Ein Beschauer in dem vollen
Welttheater sei zu nennen;
Spielt da einer auch vier Rollen,
Wirst du doch den Mann erkennen!
Mag er streiten, mag er weinen,
Dir, der abseits Platz genommen,
Wird im Spiel bald klar erscheinen:
Was ist schlecht und was kann frommen?
Im Entstehen, im Entschwinden,
Läßt die Zeit ihr Antlitz sehen;
´s wird am Schluß den Anfang sehen,
Wer es lernt, sie zu verstehen.
Was auch sein wird, was gewesen,
´s baut die Gegenwart das meiste!
Doch was nichtig, was erlesen:
Das erwäg mit deinem Geiste!
Denn ums selbe Mittel scharen
Alle Wesen sich im Leben.
Und seit tausenden von Jahren
Hat es Lust und Leid gegeben.
Andre Masken, gleiche Stücke;
Andre Stimmen, gleiche Klänge!
Du, betrogen oft voll Tücke,
Nicht an Furcht noch Hoffen hänge!
Hoffe nicht, siehst du auf Erden
Not, der Rache Wege bahnend!
Tölpel werden Herr dir werden,
Rügst - ein Gott selbst - du sie mahnend!
Fürcht nichts, wollen rohe Weise
Sie einander überwinden;
Halt dich fern von ihrem Kreise!
Droht auch Böses, es muß schwinden!
Mit Sirenensang berauschend,
Sucht die Welt ihr Netz zu stellen;
Ihrer Bühnen Mimen tauschend,
Lockt sie dich auf Wirbelwellen!
Weiche aus und nimmer lege
Wert aufs Treiben du der Menge;
Geh nicht ab von deinem Wege,
Ob man ruft dich, dich auch dränge!
Ihren Angriff sollst du meiden;
Schweigen, wenn sie spotten, schelten!
Was noch will dein Wort entscheiden,
Wenn du weißt, wie viel sie gelten?
Sage jeder, was er wolle;
Mög was immer kommen, schwinden:
Daß dich nichts bewegen sollen,
Laß bei allem kalt dich finden!
Laß bei allem kalt dich finden,
Ob man ruft dich, dich auch dränge;
Droht oft Böses, es muß schwinden;
Nicht an Furcht, noch Hoffen hänge!
Das erwäg mit deinem Geiste:
Was ist gut und was kann frommen?
Neu ist vieles, alt das meiste;
Zeiten gehen, Zeiten kommen.

Deutsch von Ludwig Vinzenz Fischer